Im Leistungsverzeichnis soll nach VOB/A die zu erbringende Bauleistung „eindeutig und so erschöpfend, [beschrieben sein] dass alle Bewerber die Beschreibung im selben Sinne verstehen müssen.“ Über die Aufgabe der Kalkulationsgrundlage hinaus fällt dem Leistungsverzeichnis in der Praxis auch noch die Aufgabe einer „Baubeschreibung für den ausführenden Handwerker/Bauleiter“ zu.
Sie schaffen sich ein Stück Sicherheit, wenn Sie in jeder Position die (bauseitig) vorhandene Vorleisung und die von Ihnen, bzw. dem nachfolgenden Gewerk erwartete Leistung ausschreiben. Oftmals sind diese Informationen nicht nur als Grundlage einer fachlich korrekten Arbeitsausführung unumgänglich, sondern auch für eine nachtragsfreie Ausschreibung.
Lücken im Leistungsverzeichnis vermeiden
Geben Sie unbedingt die entsprechenden Vorleistungen, bzw. das von den Folgegewerken erwartete Arbeitsergebnis an. So vermeiden Sie Lücken in dem einzelnen Leistungstext und auch zwischen den Leistungsverzeichnissen verschiedener Gewerke!
Ein Beispiel: Die Ständerwerkswand eines Bürogebäudes zwischen Flur und WC wird beschrieben. Der Trockenbauer hat gemäß technischer Vorbemerkungen sämtliche Oberflächen malerfertig zu verspachteln. WC-seitig wäre eine vollflächige Spachtelung unter den Fliesenbelägen fachlich falsch; hier dürfen nur die Gipskartonplattenfugen verspachtelt werden. Flurseitig soll im Gegensatz zu den übrigen Räumen im Haus keine Tapete aufgebracht werden. In diesem Falle ist unter einer malerfertigen Verspachtelung eine völlig planebene, streiflichtfreie Verspachtelung zu verstehen.
Unvollständig beschriebene Leistung | Vollständig beschriebene Leistung |
0120 GK- Ständerwerkswand, 2- lagig Wandstärke: 125 mm Beplankung: 2 x 12,5 mm beidseitig alle Platten hydrophobiert Brandschutz: F30 1.005,00 m² ............ € ............ € |
0120 GK- Ständerwerkswand, 2- lagig Wandstärke: 125 mm Beplankung: 2 x 12,5 mm beidseitig alle Platten hydrophobiert Ständerwerk: Metall C- Profil 75 mm, e= 62,5 cm Brandschutz: F30 Oberfläche: Q2, malerfertig Raumhöhe: 3,75 mtr Vorleistung: Betondecken; Durchbiegung nach DIN 1045 bemessen für nicht rissgefährdete Massivwände; zu erwarten max. 5 cm bei 15,00 mtr Wandlänge Folgeleistung: Flur: Wandanstrich o. weitere Vorleistungen WC: Wandfliesen bis 2,15 mtr Höhe, darüber Wandanstrich Einbauort: Wände WC zu Fluren Angebot. System: ......................................... (vom Bieter auszufüllen) 1.005,00 m² ............ € ............ € |
Sofern die Deckendurchbiegung im Gebäude gleitende Deckenanschlüsse der GK- Wände erforderlich macht, sollten Sie darauf gleichfalls in Ihrem Leistungstext hinweisen. Gleitende Deckenanschlüsse sind gemäß VOB/C eine besondere Leistung. Sofern Sie die nötigen gleitenden Deckenanschlüsse nicht ausschreiben, hätten Sie nicht nur nachtragsintensiv, sondern auch unvollständig ausgeschrieben. Ein eventuell auftretender Bauschaden wäre Ihnen aufgrund des unvollständigen Positionstextes so später zumindest in der Mitverantwortung anzulasten.
Erfassen Sie alle ausführungs- und kostenrelevanten Aspekte der Leistung und bauen Sie diese Punkte vollständig mit in Ihre Positionstexte ein.
Beschreiben Sie in jedem Positionstext auch die vorgesehenen Einbauorte, um so den Leuten auf der Baustelle die Möglichkeit zu geben, zu erkennen, wo die beschriebene Leistung einzubauen ist.
Überdenken Sie für jeden Leistungstext die Arbeitsabläufe. Sind Leistungen beispielsweise nur außerhalb der regulären Arbeitszeit auszuführen (z. B. Werksteinarbeiten im einzigen Treppenhaus eines Gebäudes) oder nicht im Zusammenhang mit der Hauptleistung auszuführen (vorgezogener Putz im Haustechnikraum), so sollten Sie dies mit in den Positionstext einfließen lassen. Sofern Sie sich nicht sicher sind, ob die Abläufe den entsprechenden Mehraufwand tatsächlich rechtfertigen, sollten Sie solche besonderen Aufwendungen in Form einer Zulageposition für mit in Ihr LV einfließen lassen.
Mehr Spielraum im Leistungsverzeichnis
Bedenken Sie, dass es auch beim Bauen viele Wege gibt, die zum Ziel führen. Beschreiben Sie demzufolge nur das, was Ihnen wirklich wichtig ist und stellen Sie dem Bieter möglichst viele Ausführungsvarianten frei. So schaffen Sie sich Raum für kostengünstige Angebote.
Beispiel: Zwischen einem Anhydrit- und einem Zementestrich bestehen in der Qualität und in der Nutz-barkeit keine gravierenden Unterschiede. Schreiben Sie Ihren Estrich demzufolge mit Materialfreigabe aus, um auch günstigere Angebote für Anhydritestrich zu bekommen.
Sie sollten das angebotene Material vom Bieter stets im Leistungstext eintragen lassen, wenn es nicht gerade um natürliche, unbehandelte oder genormte Baustoffe wie Holz, Kies oder Beton geht. Wenn Ihnen ein bestimmtes Qualitätsniveau wichtig ist, sollten Sie eine „Richtqualität“, jedoch kein festes Fabrikat vorgeben. Lediglich, wenn Sie aus bestimmten Gründen auf ein bestimmtes Fabrikat beste-hen, sollten Sie dieses als unumstößliche Fabrikatsbenennung in Ihre Texte aufnahmen. Bedenken Sie, dass es beispielsweise bei Drückergarnituren, Sanitärgegenständen, Armaturen, Elektroserien und Leuchten einen großen Markt für Plagiate gibt, die oftmals die Qualität des Originals erreichen oder übertreffen und wesentlich preiswerter zu beschaffen sind.
Prüfen Sie Ihr LV mit der Checkliste LV-Erstellung!
Autor: Uwe Morell